Als die ersten Hochrechnungen der Europawahl vermeldet wurden, war für uns alles vorbei. Wir saßen im Polski-Bus Richtung Sonnenuntergang, Strecke Wrocław-Berlin. Vor fast drei Wochen waren wir aufgebrochen, um durch zehn Länder zu reisen und nach dem zu suchen, was man „Europa“ nennt. Der Trip endete nicht in der Erleuchtung, sondern in der Ignoranz. Wir waren ausgeklinkt aus der europäischen Öffentlichkeit. Im Polski-Bus war das WLAN kaputt.
Wir wussten also noch nichts vom deutschen Sitz für die NPD, kannten weder das spektakuläre Abschneiden des Front National in Frankreich noch die niedrige Wahlbeteiligung in der Slowakei (13 Prozent) und anderswo.
Trotzdem beschäftigte uns da bereits die Frage, die sich jetzt auch die Wahlbeobachter stellen: „Was ist da eigentlich passiert?“ Und trotzdem war da unser Bild von Europa bereits … nein, nicht unbedingt beschädigt, aber doch an einigen Stellen dramatisch korrigiert. Wir haben Slums gesehen, die uns erschütternd haben. Wir haben Spuren des Nationalismus erlebt, die verstörend sind. Wir haben mit Leuten gescherzt, die wir für unsere politischen Gegner hielten (ohne, dass wir darüber zu Verbündeten geworden wären) und haben Freunde gefunden, wo wir keine erwartet hätten.
Zu Beginn unserer Reise wurden wir gefragt, ob wir eigentlich eine genauere Vorstellung von Europa hätten, seit wir nach den Dingen Europas suchen. Antwort: Nein, im Gegenteil. Wir fangen gerade erst an zu ahnen, wie kompliziert und kniffelig diese ganze Sache ist. Das gilt noch einmal mehr nach unserer Reise durch Estland, Deutschland, Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Ungarn, die Slowakei und Polen.
Noch sind unsere Eindrücke unsortiert. In den kommenden Tagen werden wir uns durch drei vollgeschriebene Notizbücher, durch diverse Negative, Videomitschnitte und Speicherkarten arbeiten; Mitbringsel sichten; Nachgespräche führen; Ordnung in unsere Erlebnisse bringen; unseren Recherchen Ergebnisse abringen.
Mindestens fünf neue Dinge Europas wollen wir nun veröffentlichen. Wir werden diesen Prozess in unserem Blog begleiten und auch Nachträge zu unserer Reise hier veröffentlichen. Aber erstmal: schlafen wir uns aus. Danke & bis bald!